Letzte Woche kam es zu einer Premiere. Ich stand erstmals am Start eines Endurorennens. Zur Erklärung: Während eines Endurowettkampfes werden mehrere Abfahrten (Stages) so schnell wie möglich absolviert. Die Zeit der Stages wird zusammengezählt und bildet die klassierungsrelevante Schlusszeit. Zwischen den Stages können nicht die Füsse hochgelagert werden, sondern es muss in einer vorgegebenen Zeit der Transfer von Trail A zu B und so weiter bewältigt werden. Die logische Vorgehensweise wäre an dieser Stelle eine Anmeldung für einen kleinen, regionalen und überschaubaren Wettkampf. Aber nein, nicht so bei mir. Da bekanntlich „normal“ langweilig ist, die Logik mich gerade kreuzweise kann und ich schon lange an einem Enduro World Series (EWS) Rennen dabei sein wollte, legte ich mir eine andere Strategie zurecht. Die drei Faktoren führten mich dementsprechend vergangen Dienstag nach Südfrankreich, genauer gesagt nach Millau. Offenbar hatte das Klima vergessen, dass gemeinhin Südfrankreich mit warmen, trockenen Bedingungen verbunden wird. Es regnete beinahe konstant und das Thermometer stieg auf kuschelige 13 Grad…danke dafür erstmal! Während zwei Tagen durften die insgesamt neun Stages je einmal abgefahren werden um sich seelisch und körperlich auf jegliche Passagen vorzubereiten, welche einem den nächsten Platz in einem Krankenwagen sichern sollten. Nach gefühlten 50 Stürzen und einem Platten am ersten Trainingstag, war ich voller Zuversicht, dass ich eine heisse Anwärterin auf eine dieser Plätze sein werde.
Nach überstandenem zweitem Trainingstag rollte ich freitags an die Startlinie für Wettkampftag eins von zwei, an welchem wir mit Stage eins bis fünf das Vergnügen haben sollten. Im 20 Sekunden Rhythmus sprinteten die Fahrerinnen in den ersten Trail und die grosse Rutschpartie konnte beginnen. Ich verabschiedete mich gleich fünf Mal ins Unterholz und legte den Grundstein für die konstante Farbangleichung meines Trikots und dem Rad an ein dezentes hängebauchschweiniges braun-schwarz.
Gefolgt auf diese Achterbahnfahrt folgte der erste Transfer, welcher mit einem „kleinen“ Fussmarsch begann. Zu Beginn des sehr engen, steinigen und steilen Weges dachte ich noch „Mann, das wäre jetzt auch cooler zum runterfahren“. Nach ungefähr weiteren 20 Trage-Schieb-Krampfminuten befand ich „naja, das wäre etwas krass zum runterfahren, dann doch lieber hoch“. Bevor mich nach weiteren 15 Minuten die Erkenntnis traf „ok, wir müssen da runterfahren. Über diese Steinplatte bin ich doch gestern kopfüber geflogen vs. wir latschen tatsächlich Stage vier hoch. Seid ihr denn völlig bekloppt??!“. Bevor ich mich neuerlich der Steinplatte von Stage vier widmen durfte (über welche ich auch im späteren Rennverlauf kopfüber stürzen sollte, diese Variante hatte ich schliesslich bereits im Training einstudiert), kamen die Abfahrten zwei und drei noch zum Zug. Ich hielt meinen Schnitt von ungefähr fünf Abflügen pro Stage, allerdings nur weil Stage zwei echt ein Spass war bevor es das fröhliche Geröllfeld von Nummer drei runterging und ich mich dabei um jeden vierten Baum wickelte. Die Stages vier und fünf glichen sich in etwa was meine Sturzzahl betraf. Auch war ich wieder um den ähnlichen Platz wie vor der Nummer drei und sammelte weiter fleissig blaue Flecken und Schürfwunden. Dies alles war aber vernachlässigbar bei all den genialen Trailmomenten, den äusserst sympathischen Leuten und meiner erstaunlich guten körperlichen Verfassung (ich war inzwischen rekordverdächtig schnell, beinahe unverletzt aus dem Unterholz wieder auf meinem Rad und dementsprechend gar nicht so schlecht positioniert….was wäre da bloss möglich wenn ich tatsächlich nur auf und nicht teilweise unter meinem Rad die Etappen bewältigte). Sechseinhalbstunden später im Ziel, war ich ziemlich stolz und stellte mich sogleich mit meiner gesamten Ausrüstung unter die Hoteldusche, bis man wieder Kleidung von Mensch unterscheiden konnte. Der Morgen von Wettkampftag zwei brachte Müdigkeit, Muskelkater, Vorfreude, zahlreiche Aufgaben anderer Fahrerinnen und natürlich Regen mit sich. Südfrankreich, höhö (…). Tag zwei bestand aus vier Stages, welche mir um einiges besser lagen als am Vortag. Die erste Abfahrt bewältigte ich dementsprechend gut. Einziger Wehrmutstropfen war die Bekanntschaft zwischen meiner Hand und einem Baum, welche keinen Sturz dafür aber als Wegzoll einen Teil meiner Haut forderte, sowie eine nette Prellung mit tollem Farbspektrum mit sich brachte. Unbeirrt setzte ich meinen Weg fort. Weiterhin mit gelegentlichen Boden-têtes-à-têtes und zahllosen Adrenalinschüben.
Tag zwei ging so schnell rum wie Tag eins und obwohl ich in der zweitletzten Kurve aufgrund des Schlammes ohne Rad über den Asphalt rutschte, meine Hosen dabei zerriss und mich sobald ich zum Stillstand kam mit einem Hechtsprung vor der ebenfalls gestürzten und über den Teer heranrutschenden Verfolgerin rettete, beendete ich das Weltcuprennen in einem Stück auf dem 23. Schlussrang. Mission erfüllt!